Aicardi-Goutieres-Leukodystrophie (Syndrom)

Das Aicardi-Goutieres-Syndrom wurde 1984 anhand von acht Kindern beschrieben, die an einer familiären progressiven Enzephalopathie mit Verkalkung der Nervenknoten-Basis, Leukodystrophie und chronischer CSF-Lymphozytose litten. Die Symptome erinnerten an einen viralen Prozeß, die Suche nach Viren war jedoch negativ. Seit dieser ersten Beschreibung ist in der Literatur von mehreren Fällen berichtet worden, und die Autoren haben weitere Patienten begutachtet, die den ungewöhnlichen klinischen Verlauf des Syndroms und seine genetische Übertragung mit rezessiver autosomaler Vererbung bestätigten.

Zwei Familien mit je drei betroffenen Kindern sind bekannt, und mehrere Familien mit zwei betroffenen Kindern sind beschrieben. Schwangerschaft, Geburt, Gewicht und Kopfumpfang des Neugeborenen sind normal, doch nach der Geburt entwickelt sich rasch eine Mikorzephalie. Diese Krankheit setzt sehr früh ein, bei den meisten Kindern mit weniger als sechs Monaten, sehr oft sogar im ersten Lebensmonat. Einige wenige Kinder zeigen Symptome von der Geburt an.

Die hauptsächlichen Symptome, die Aufmerksamkeit erregen, sind Schwierigkeiten beim Füttern, Zappeligkeit, Übergeben, ruckartige Augenbewegungen und gelegentlich leichte, unerklärliche Fieberschübe. Etwa ein Drittel der Patienten zeigen einen Krankheitsbeginn nach dem Alter von sechs Monaten mit psychomotorischen Rückschritten und dem Verlust zuvor erlangter motorischer und mentaler Fähigkeiten. Bei der Untersuchung zeigen die Kinder spastische Lähmung, dystonische Bewegungen, wenig oder keinen Augenkontakt, ruckartige Augenbewegungen und erworbene Mikrozephalie. Etwa die Hälfte der Kinder leidet an Krämpfen. Nicht-neurologische Anzeichen werden gelegentlich beobachtet, die bedeutendsten unter ihnen Läsionen an Fingern oder Zehen, die wie Frostbeulen aussehen, oder rund um die Nägel erthematische Haut, die auf distale Vasculopathie hindeutet. Die Prognose ist wenig aussichtsreich; die meisten Patienten sind schwerstbehindert und haben wenig Kontakt zu Mitmenschen. Es ist jedoch auch von Fällen mit weniger schwerer geistiger und körperlicher Behinderung berichtet worden.

Die hauptsächlichen Charakteristika des Syndroms sind 1) beständige CSF-Lymphozytose und 2) anomaler CT-Scan mit Verkalkung der Nervenknoten-Basis, Gehirn-Atrophie und zu geringer Dichte der weißen Materie.

Beständige CSF-Lymphozytose kommt bei allen Patienten vor. Nach Erfahrung des Autors variiert sie bei der ersten Kontrolle zwischen 260 WBC/mm3 im Alter von drei Jahren bei einem Patienten und 6-19 Monaten bei einem anderen. Alle CSF-Proben, die in den ersten zwölf Monaten genommen wurden, enthalten acht oder mehr WBC/mm3, die meisten zwischen 10 und 50. CT-Scans zeigen Verkalkung der Nervenknoten-Basis (in Putamen, Thalamus, Pallidum und gelegentlich in Caudate und Dentate Nuclei) von verschiedener Intensität von einem Patienten zum nächsten, sogar unter Geschwistern. Die Verkalkungen können sich sogar in subkortikale und periventrikulare Zonen. Geringe Dichte der weißen Materie zeigt sich hauptsächlich um ventrikale Hörner herum und kann gelegentlich das Aussehen eines diffusen leukodystrophischen Prozesses haben, bestätigt durch eine Magnetresonanz-Untersuchung (MRT), die T2-Hypersignale zeigt.

In allen Fällen zeigen Computertomographie und Magnetresonanz Anzeichen deutlicher Hirnatrophie mit Ventrikelvergrößerung und Sulci, die mit dem Alter von einer Untersuchung zur folgenden zunehmen. Die Laboruntersuchungen beinhalten extensive virologische Studien und tragen nicht dazu bei außer im Falle von erhöhten Interferon-Werten, die mit dem Alter abnehmen. Das Interferon ist immer im CSF höher als im Serum, was auf lokale Synthese im CSF hindeutet. Die Bedeutung ist noch unklar.

Die autosomale rezessive Vererbung des Syndroms wird bestätigt durch die hohe Anzahl an Familien mit zwei oder drei betroffenen Kindern und einem hohen Grad an elterlicher Konsanguinität, doch bislang ist keine genetische Anomalie bewiesen worden. Die Spezifizität des klinisch-radiologischen Bildes des Syndroms bleibt fraglich, da zwei andere Krankheiten dieselben pathologischen Klassifikationsmerkmale aufweisen, Gehirnatrophie und Leukodystrophie, mit denselben klinischen Manifestationen familiären frühen Auftretens von autosomal rezessiver Enzephalopathie. Die erste von beiden ist eine Krankheit, die von Reardon 1994 beschrieben wurde, bei der ein autosomal rezessives angeborenes, intrauterines infektionsartiges Syndrom von Mikrozephalie, intrakranialer Verkalkung und Erkrankung des ZNS. Die zweite ist eine Hirnhautenzündung, die 1988 von Black beschrieben wurde und unter Kindern der Cree-Indianer Nord-Quebecs auftritt. Ein Zusammenhang aller drei Syndome ist auch möglich.